Saisonbericht 2022

Januar – Pech zum Jahresstart

Nach einem suboptimalen Dezember mit anhaltenden Achillessehnenproblemen und deshalb viel Alternativtraining, reiste ich mit einigen Kaderkollegen nach Gran Canaria, um zwei Wochen in der Wärme qualitativ zu trainieren. Leider schien ich die Probleme noch nicht ganz besiegt zu haben, und war deshalb am Anfang nur auf dem Velo unterwegs, aber das kann man dort zum Glück auch ideal machen. Als ich wieder langsam zu laufen beginnen wollte, wurde ich krank, machte einen Covid-Test und dieser war, «surprise, surprise», positiv. Ich habe mich also von den andern isoliert und mich im Zimmer aufgehalten. Der einzige Vorteil war, dass ich einige Tage bekocht wurde. Dann stand schon der Heimflug an und man brauchte dafür einen negativen Covid-Test. Lange Rede, kurzer Sinn, ich musste die Unterkunft verlängern, einen neuen Flug buchen, 5 Tage allein ausharren und hoffen, dass ich dann einen negativen Test hinkriege, um nach Hause zu kommen. Zum Glück hat das geklappt und die ganze Geschichte hatte doch noch etwas Positives, meine Achillessehne konnte sich durch die erzwungene Pause ganz erholen. Nun war also Ende Januar und mein Trainingsstand war wieder beinahe auf null.

 

Februar – Grundlagen-TL

Während einer Woche Sprintfokus in Tessin trainierte ich erstmals wieder etwas intensiver und war bereit für das erste Trainingslager in der Wärme mit dem Kader. Dieses Jahr reisten wir nach Antalya in der Türkei und nicht wie üblich nach Spanien oder Portugal. Es erwarteten uns sehr abwechslungsreiche Gelände, aber auch sehr lange Busfahrten, um diese jeweils zu erreichen. Alles in allem 10 high-quality Trainingstage und eine spezielle Erfahrung im riesigen all-inclusive Touristenhotel.

 

März – Saisonstart

Die OL-Basis war gelegt und es wurde Zeit für die Schweizermeisterschaft im Nacht-OL im Wangenerwald bei Zürich. Dieses Jahr wurde dieser Lauf als Massenstart mit Schlaufen ausgetragen. Meine physische Form war noch ungewiss und ich wusste nicht, was drin liegen würde. Umso überraschter und glücklich war ich, als ich nach 85min als sechster ins Ziel lief, nur etwas mehr als eine Minute von den Medaillen entfernt. Eine Woche später konnte ich am Kerzerslauf über 15km nochmal eine gute Leistung zeigen.

 

April – Erste Testläufe

Ein kurzer Trip nach Antwerpen mit zwei Sprint-World-Ranking-Events eröffnete die Sprintintensive Phase dieses Jahres. Der 3. und 5. Rang an den Nationalen OLs eine Woche später sind auch erwähnenswert und zeigen mir, dass ich etwa 10 Wochen solides Training brauche, um in Form zu kommen. Das Sprint-Trainingslager in Dänemark war auf die kommende WM ausgerichtet, aber für mich realistisch gesehen eher eine Vorbereitung auf die Testläufe und den Weltcup in Schweden. Leider erwischte ich dann im dümmsten Moment eine Erkältung und musste den ersten Testlauf im KO-Sprint auslassen. Zwei Tage später waren noch zwei Sprints angesagt, welche ich laufen konnte, mit dem Wissen, nun voll abliefern zu müssen, um noch eine Chance auf einen Weltcup-Platz zu haben. Und siehe da, am Vormittag wurde ich 8. und am Nachmittag lief alles perfekt und ich lief gar auf den 3. Platz. Einige Tage später erschien dann mein Name auf den Selektionen und ich durfte mich auf meine erste Weltcup-Teilnahme freuen.

 

Mai – 10mila und Weltcup Schweden

Zuerst gab es aber noch eine andere Premiere. Ich lief das erste Mal für meinen neuen schwedischen Club (Södertälje-Nykvarn OF, SNO) an einer grossen skandinavischen Staffel. An der 10Mila in Örebro durfte ich gleich bei meinem Debut die 10. und letzte Strecke übernehmen und konnte, nach äusserst stabilen Leistungen all meiner Teamkollegen, auf dem hervorragenden 5. Rang ins Ziel laufen.

Drei Wochen später war es dann so weit, zwei Tage nach meinem 23. Geburtstag stand ich das erste Mal in der Startbox eines Weltcuplaufes. Ich zeigte sowohl im Sprint als auch im KO-Sprint eine sehr solide Leistung, im Sprint vor allem technisch, im KO-Sprint vor allem physisch. Schlussendlich erreichte ich den 35. und 31. Rang, was bedeutet, dass ich sogar einige Weltcuppunkte holte. In der abschliessenden Sprintstaffel war ich zwar «nur» Ersatzläufer, hatte aber trotzdem die Chance, in einem starken Mixed-Team, auch diesen Wettkampf zu laufen. Sehr zufrieden bin ich schlussendlich nach Hause gereist, und war stolz, diesen Sprintintensiven Frühling so erfolgreich abgeschlossen zu haben.

 

Juni – Jukola und TL Estland

Noch waren nicht ganz alle Sprintwettkämpfe vorbei. Mitte Juni fand zuhause in Basel bei grosser Hitze die Sprint-SM statt. Meine Performance war nicht schlecht, aber auch nicht super und ich wurde 10.

Kurz später lief ich mit Södertälje dann gleich nochmals an einer grossen Staffel – und wieder die Schlussstrecke. An der Jukola-Staffel in Finnland liefen wir auf den 10. Schlussrang. Die skandinavischen Clubs haben eine grosse Staffeltradition und sowohl die 10Mila in Schweden als auch die Jukola in Finnland sind sehr wichtige Wettkämpfe für diese Vereine. Beide diese Staffeln sind riesige Sportevents und der Start ist jeweils am späten Abend und der erste Zieleinlauf ist im Morgengrauen, was jedes Mal wieder ein spezielles Erlebnis ist.

Direkt danach nahm ich die Fähre nach Estland und trainierte dort noch eine Woche mit einigen Kaderkollegen in EM-relevantem Gelände. Die Wälder rund um Rakvere sind zwar nicht unbedingt ein Genuss, da es doch sehr dichter Wald ist, aber dennoch spannend und durchaus tricky.

 

Juli – Zweiter Testlaufblock

Die Lernphase für die Prüfungen im August hatte begonnen und nach einem kleinen sportlichen Intermezzo am Gigathlon zusammen mit meinem Vater, waren die ersten Wald-Testläufe dieses Jahres angesagt. Nachdem ich die Mitteldistanz noch ziemlich verhauen hatte, konnte ich an der Langdistanz 95min ohne grössere Zeitverluste bleiben und mein Speed stimmte auch. Es war knapp, aber ich bekam das Vertrauen der Trainer und wurde für die Langdistanz an den Europameisterschaften in Estland selektioniert. Zusätzlich war ich dabei im Team für die Studenten-WM in Biel, wo ich 4 von 5 Disziplinen laufen durfte.

Nach vielen Stunden Lernen, neben dem Training natürlich, ging es Ende Monat los Richtung Baltikum ins PreCamp. Leider bekam mehr als die Hälfte des Teams mit Magendarmproblemen zu tun, und schmälerte somit die Chancen der Schweizer beträchtlich.

 

August – EM in Estland und Studenten-Weltmeister

Ich wurde davon zum Glück verschont, kam aber an der Langdistanz trotzdem nicht ganz auf Touren. Ich fühlte mich bereits direkt nach dem Start nicht 100%, vielleicht musste mein Immunsystem doch überdurchschnittlich arbeiten die Tage zuvor. Ich versuchte mich auf die Technik zu konzentrieren, was am Anfang eigentlich zufriedenstellend funktionierte. Ich merkte aber wie ich physisch Mühe hatte und wurde nach einer Stunde von zwei Finnen eingeholt und stehengelassen. Im anspruchsvollen Schlussteil konnte ich mich vor lauter Müdigkeit nicht mehr zusammenreissen und so liess auch die Konzentration stark nach, was mir noch einige grosse Zeitverluste einhandelte. Schlussendlich war ich nach 2 Stunden und 10 Minuten im Ziel, und zwar völlig am Ende und nur auf dem 54. Rang, aber trotzdem irgendwie stolz, dass ich es durchgezogen habe.

Bereits am Tag darauf stieg ich ins Flugzeug, um rechtzeitig für die erste Prüfung wieder zu Hause zu sein. Während der nächsten Woche war ich dann etwas im Prüfungsstress, aber musste gleichzeitig auch versuchen, mich gut zu erholen, da wiederum eine Woche später die Studenten-WM in Biel begann.

Ich freute mich sehr darauf, und ich wusste, wenn ich dieses Jahr irgendwo Chancen auf eine Top-Platzierung haben sollte, dann hier! Beim Eröffnungswettkampf über die Sprintdistanz, konnte ich meine Sprintform vom Frühling wieder unter Beweis stellen und lief in einem physischen Sprint, was mir eigentlich nicht so liegt, auf den 8. Rang. Bei der Sprintstaffel wurde ich mit meinem Team (Deborah Stadler, Timo Suter, Tino Polsini, Eline Gemperle) gar Studenten-Weltmeister! Ich startete auf die dritte Strecke bereits in einer super Ausganslage, an zweiter Position hinter Schweden. Mein Gegner war niemand geringeres als WM-Silbermedaillengewinner August Mollén. Er war erwartungsgemäss physisch etwas stärker als ich und habe ihn zwischenzeitlich nicht mehr gesehen. Trotzdem war ich, dank eines technisch sauberen Laufes, bei der Arenapassage einige Sekunden nähergekommen. Als ich zur Übergabe kam, jubelte das Heimpublikum allerdings noch lauter als bei der Passage. Nachdem ich an Eline übergab und die Schwedin noch dastand, wurde mir sofort klar, dass ich August, ohne es zu bemerken, überholt haben musste. Tatsächlich unterlief ihm ein grober Fehler auf der Schlussschlaufe und Eline konnte mit einem komfortablen Vorsprung auf die letzte Strecke starten. Ich war zwar voller Adrenalin, aber gleichzeitig auch ziemlich ruhig, da ich mir sicher war, Eline wird diese Goldmedaille ins Trockene bringen. Gesagt getan, 13 Minuten später durften wir zu viert vor heimischem Publikum ins Ziel laufen, ein fantastischer Moment. Die beiden Wald-Wettkämpfe verliefen für mich eher enttäuschend. Gerade in der Langdistanz wäre mit einem technisch besseren Lauf einiges mehr drin gelegen, das weiss ich. Auch bei der Wald-Staffel startete ich mit der Leadergruppe, verlor diese aber früh und lief nur an sechster Stelle ins Ziel.

Nach dieser Woche musste ich gleich wieder an der ETH antraben und noch die letzten Prüfungen schreiben. Im Studium bin nicht so ehrgeizig wie im Sport und schaue einfach, dass es reicht. Das Training und die Erholung stehen bei mir immer an erster Stelle, und wenn dann noch Zeit ist, arbeite ich noch etwas fürs Studium.

 

September – Letzte Testläufe

Den August konnte ich nicht spurlos hinter mir lassen, und die stressige Kombination von EM, Studenten-WM und den Prüfungen war dann, wie eigentlich schon befürchtet, doch etwas zu viel. Ich war im Kopf, aber auch in den Beinen, müde und konnte am Testlaufwochenende in der Ostschweiz nicht mehr mit demselben Willen, Kampfgeist und Überzeugung am Start stehen und schnitt auch demensprechend enttäuschend ab.

Ich durfte aber bereits im nächsten Kurz-Trainingslager im Wallis wieder nach vorne schauen. Für die Selektionierten war es in erster Linie die letzte Vorbereitung auf den Weltcup Davos, für mich eher eine Einstimmung auf die WM 23 in Flims.

 

Oktober – Saisonende auf der Strasse

In Davos war ich dann leider nur als Zuschauer dabei, kam aber an den nationalen Läufen trotzdem in den Genuss dieses Geländes. Im anschliessenden Kurz-TL in der Lenzerheide schlossen wir als Team die Saison 22 ab, starteten aber gleichzeitig auch die Vorbereitung auf die kommende Heim-WM.

Wie schon im letzten Jahr setzte ich mir zum Abschluss der Saison noch den Halbmarathon in Luzern aufs Programm. Ich trainierte noch 3 Wochen spezifisch mit vielen flachen, intensiven Einheiten. Eine Woche zuvor lief ich in Rapperswil eine klare neue persönliche Bestzeit über 10km und wusste somit, dass ich in Form bin und in Luzern eine Zeit unter 70min drin liegen würde. Es kam leider anders und ich wurde in der Folgewoche krank. So kam meine Saisonpause leider etwas verfrüht und es wurde nichts aus dem Sub70-Versuch. Mitten in der Trainingspause und nach der Krankheit konnte ich jedoch an der Team-OL SM mit Christoph und Noah noch die Silbermedaille gewinnen. So schloss ich die Saison trotzdem mit einem Highlight ab.

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